Gert Voss entblößt die Feinheit der Stimme
Seine Pflichten als Herzog in „Maß für Maß“ (im Bild) hat Gert Voss am Samstag unterbrochen und las aus Peter Handkes „Die Wiederholung“. Bild: SN, dapd
Gert Voss war am Samstag im Landestheater wie ausgewechselt. Noch am Abend zuvor war er dort Herzog Vincentio gewesen. In dieser Rolle, die Dreh- und Angelpunkt in Shakespeares Stück „Maß für Maß“ ist, bringt Gert Voss die Brillanz seiner Schauspiel- und Verwandlungskunst in Gestik, Mimik und Stimme zum Funkeln. Allein seine Stimme! Er jagt sie in Höhen und Tiefen, er spricht einmal in gespielter Verstellung (wenn der Herzog als Mönch verkleidet ist), dann wieder in verlogener Aufrichtigkeit (als zurückgekehrter Herzog).
Auch am Samstagabend trat Gert Voss in dem goldenen Kubus und unter dem riesigen Luster des Bühnenbilds von Jan Pappelbaum auf. Doch: Seine Stimme war ruhig, unverstellt, ungespielt, angenehm fließend. Er setzte kaum Gesten. Er saß schwarz gekleidet an einem schwarzen Tischlein.
Das Publikum war gebannt. 70 Minuten lang lauschten die fast 700 Besucher fast hustenlos, räusperlos und reglos Gert Voss in einem Genre, das bei den Salzburger Festspielen rar geworden ist: einer Rezitation. Anders als im szenischen Spiel ist da das von allem Beiwerk entblößte Zentrum der Schauspielkunst zu erleben: die Stimme.
Eine Rezitation ist – mit einem auf einem Punkt verharrenden Lesenden – nur scheinbar eindimensional. Tatsächlich kommen im schlichten Vorlesen die leisesten Feinheiten im Modulieren der Stimme sowie die Raffinessen eines Textes zur Geltung.
Die Modulation: Gert Voss ließ seine Stimme strömen, als wäre es kinderleicht, so deutlich, so klar, so differenzierend, so klingend, so schön zu sprechen. Leider wurde Voss’ Stimme über Mikroport verstärkt, sodass sie mehr aus der Lautsprecherbox zu vernehmen war als aus der Kehle des Vorlesenden.
Der Text: Mit Peter Handkes Reisebericht „Die Wiederholung“ brachte Voss ein Sprach- und Erzählwunder zu Gehör. Zum einen berührte, was Peter Handke vor 25 Jahren – „Die Wiederholung“ erschien 1986 – zum ähnlichen Thema wie „Immer noch Sturm“ geschrieben hatte: dem unerhörten Schicksal der Kärntner Slowenen. Zum anderen beeindruckte die erzählerische wie poetische Kraft dieses Textes.
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