" Einen überraschenden Fund konnte ich in kolik Nr. 50 machen. Es ist ein sehr persönlicher Brief des manuskripte-Herausgebers und Dichters Alfred Kolleritsch an seinen berühmten Freund Peter Handke aus dem Jahr 1979. Von dem Brief heißt es, er sei bisher „verschollen“ gewesen und daher in den veröffentlichten Briefwechsel-Bänden Handkes nicht enthalten. Man weiß ja von Handke, dass er die Eigenschaft hat, Menschen, die ihm gegenübertreten, befangen zu machen. Bei den alljährlich stattfindenden Petrarca-Preis-Treffen herrscht allgemeine Unruhe, bevor der große Mann endlich verspätet eintrifft. Man glaubt sich vor Handke, seiner Ich-Stärke, seinen Ansprüchen und Leistungen, seiner Genauigkeit rechtfertigen zu müssen. Der 2005 imSchreibheft publizierte Briefwechsel mit Nicolas Born zeigt, dass selbst dieser eigenwillige Autor sich vor Handke klein wähnte und bereit war, von ihm fast jede Kränkung hinzunehmen.
Im Fall Kolleritschs offenbart sich eine ebenso große Unsicherheit. Dabei ist er elf Jahre älter als Handke und in Graz so etwas wie sein Mentor gewesen. Aber auch er artikuliert Scheu, Verwirrung, „Angst vor Dir“ bei fast jeder Begegnung, ja „schreckhafte Momente“. „Eingedunstet in den Betrieb“ – so lautete offenbar Handkes Vorwurf –, fühlt er sich dem „Freisein“ des Freundes nicht gewachsen und beklagt sich über zugefügte Verletzungen. Man kann sich fragen, weshalb derart private Briefe zur Veröffentlichung freigegeben werden.
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