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GENTLEMENGentlemen: Peter Handke
Am 15. März erscheint Handkes neuer Roman "Der große Fall". Einige Notizen seines Freundes Hubert Burda
Peter Handke, 68, "die große poetische Stimme der deutschsprachigen Literatur"
© ddp images/dapd
Wer
in den 60er Jahren die ersten Bücher und Theaterstücke von Peter Handke
las oder sah, spürte: Hier entsteht etwas ganz Neues, völlig anderes
als die damals vorherrschende Literatur. Seine Texte entzogen sich den
Kategorien traditionsbewusster Germanisten ebenso wie den
kulturkritischen Ambitionen der Frankfurter Schule. Bei einer Aufführung
der „Publikumsbeschimpfung“ überkam mich das Gefühl, dieses Stück sei
wie für mich geschrieben. Hier stellte einer alles infrage: die Bühne,
die Schauspieler, das Publikum, die Sprache, die Regeln der sozialen
Konvention. Hier wurde das herkömmliche Theater verabschiedet. Ich
empfand es wie die Dekonstruktion meiner Erziehung und aller
ästhetischen Überzeugungen, die ich mir in meinem Studium der
Kunstgeschichte angeeignet hatte.
Zu früh dran
Kennengelernt
habe ich Peter Handke bei der Bambi-Verleihung 1968. Damals war die
neue Kategorie für den „künstlerisch wertvollen Film“ geschaffen worden,
und ich hatte ihn überreden können, an der Jury teilzunehmen, wo er nun
neben Liz Taylor und Richard Burton saß. Der Preis ging an Jean-Luc
Godard, der nicht erschienen war. Wir waren zu früh dran.
Freundschaft und Poesie
Die
Freundschaft mit Handke begann 1974, als der Petrarca-Preis gegründet
wurde. Ein Lyrikpreis im Namen des humanistischen Autors war für mich
nur mit Handke vorstellbar. In vielen Jurysitzungen konnte ich
miterleben, mit welcher Genauigkeit er auf Texte einging, Berühmtes
verwarf, anderes empfahl: die Gedichte von Jan Skácel, Philippe
Jaccottet, Zbigniew Herbert, Ilse Aichinger. Mir begegnete der
großartige Vermittler von anderen Dichtern. Wie er die Aufmerksamkeit
auf Autoren wie René Char, Hermann Lenz oder Walker Percy lenkte,
verriet tiefes Poesieverständnis.
Ein lebensveränderndes Buch
Sein
Buch „Langsame Heimkehr“ übte auf mich eine starke Wirkung aus. Die
Verlangsamung der Zeit - dieses Thema ließ mich nicht mehr los. Es war
wie die Einübung in eine andere Lebensweise. Ich entdeckte den
Kontrapunkt zur stets beschleunigten Zeit der Medienwelt. Das Buch
veränderte mein Leben. Ähnliches widerfuhr mir bei der Lektüre aller
seiner weiteren Werke: Jedes Mal ist es, als ob ich auf eine Reise gehe
und verwandelt durch die dunklen und hellen Bilder seiner Poesie wieder
zu Hause ankomme. Handke erschafft eine andere Wirklichkeit, er
verwandelt sie in Kunst - ein Gegengewicht zur Hektik meines Alltags.
Darum danke ich ihm für seine Bücher, für die gemeinsamen Gespräche und
Wanderungen. Ohne unsere Freundschaft sähe mein Leben anders aus. Peter
Handke ist die große poetische Stimme der deutschsprachigen Literatur.
Ihn unter uns zu haben bleibt ein Ereignis, das wir gar nicht hoch genug
schätzen können.